Deutsch-Ostafrika war mit fast einer Million Quadratkilometer fast doppelt so groß wie das Deutsche Kaiserreich. Diese große Landmasse, die sich über die heutigen Staaten Tansania, Burundi und Ruanda erstreckt, gilt als eine der artenreichsten Regionen der Welt, was sowohl die Tier- als auch die Pflanzenwelt betrifft. Mit der Errichtung der Kolonie gingen wirtschaftliche Ziele und Fragen einher, zum Beispiel, wie die Kolonie dem Kaiserreich wirtschaftlich nutzen konnte. Diese Sicht auf die Kolonie verrät den Besitzanspruch, der mit der Kolonisierung einherging. So wurde beispielsweise der Kilimandscharo, 1889 von Hans Meyer bestiegen, als der „höchste Berg Deutschlands“ bezeichnet. Diese Aussage ist ein gutes Beispiel, um zu verdeutlichen, wie die zeitgenössische Sicht auf die kolonialen Gebiete funktionierte: Die Landschaft wurde als eine Erweiterung des deutschen Staatsgebietes betrachtet. Diese Sicht bezog sich voranging auf die Landschaft und die Pflanzen- und Tierwelt, nicht jedoch auf die Lokalbevölkerung, die dort schon seit Generationen lebte. Dasselbe lässt sich für andere Kolonialmächte beobachten, die übrigens allesamt in Fragen des Natur- und Tierschutzes sehr gut vernetzt waren. So gab es zahlreiche internationale Konferenzen, die sich zum Beispiel mit der afrikanischen Tierwelt beschäftigten.

Da die wirtschaftliche Nutzung dieser neuen Landschaften eines der Hauptziele der Kolonisierung war, überrascht es nicht, dass Fragen des Naturschutzes vor allem unter ökonomischen Gesichtspunkten diskutiert wurden. Dabei stellt sich hier die Frage, wovor die Natur geschützt oder auch für wen sie geschützt werden sollte. Ein Forscher, der sich besonders für den Naturschutz und insbesondere für den Waldschutz in den Kolonien einsetzte, war der Botaniker und Forstwissenschaftler Moritz Büsgen, nach welchem das Büsgen-Institut der Universität Göttingen am Nordcampus benannt wurde. Büsgen beschäftigte sich unter anderem mit der Frage nach der richtigen — und das heißt für ihn, ökonomisch sinnvollen — Nutzung der Wälder in den Kolonien. Für ihn stand fest, dass der seit Jahrzehnten übliche Umgang mit dem Wald in den Kolonien falsch sei – nicht zuletzt, weil die Einheimischen diesen für die Beschaffung alltäglicher Dinge (Brennholz, Kanu- und Hüttenbau) nutzten.  Mehr noch, dieser Umgang stellte laut Büsgen eine regelrechte Gefahr sowohl für den Fortbestand des Waldes als auch, insbesondere wegen seines ökonomischen Wertes, für die Kolonialherren dar. Schließlich erschwerte eine solche Nutzung den dortigen Anbau von Kulturpflanzen.

Diese nicht nur von Büsgen, sondern von vielen europäischen Forstwissenschaftlern geteilte Ansicht ist eine koloniale Sichtweise und zwar gleich in mehrerer Hinsicht. Zum einen wird der Lokalbevölkerung vorgeworfen, dass ihre wirtschaftlichen Bedürfnisse den Wald in Gefahr brächten und ihre Methoden somit rein zerstörerische Auswirkungen hätten. Damit wird unterstellt, dass die Einheimischen unfähig seien, den Wald „richtig“ zu nutzen, da es eben nur eine – nämlich die europäische – Weise gäbe, die wirtschaftlich gewinnbringend sei.

Der Wald ist somit nicht nur eine Quelle für wirtschaftlichen Gewinn, sondern erfüllt zusätzlich eine ideologische Rolle. Der koloniale Wald wird als eine Erweiterung und Ergänzung zum deutschen Wald betrachtet und somit gilt es, die Nutzung zu kontrollieren und festzulegen, wer diese Gebiete wie nutzen darf. Diese Schutz- und Nutzungsgedanken bezogen sich überdies auch auf die Tierwelt.

 

Wildschutz in Deutsch-Ostafrika und seinen Konsequenzen

Nicht nur die Rinderpest, eingeschleppt durch EuropäerInnen, war eine der schwerwiegendsten Epidemien in Afrika an der allein in Deutsch-Südwestafrika um 1900 etwa 60 Prozent des Viehbestands der afrikanischen Bevölkerung und 30 Prozent bei den EuropäerInnen zugrunde ging. Neben Nutztieren hielt man auch den Schutz von Wildtieren für eine wichtige Aufgabe. In London, wo 1900 eine der zahlreichen internationalen Konferenzen, die sich mit Fragen des Natur- und Tierschutzes in den Kolonien beschäftigen, stattfand, ging es – um ein Beispiel herauszugreifen – um Elefanten.

Elfenbein war eine wichtige Einnahmequelle für die Kolonialmächte. Es gibt Schätzungen, wonach zwischen 1880 und 1910 in Afrika etwa zwei Millionen Elefanten geschossen wurden. Diese hohe Tötungszahl hatte ihre Auswirkungen auf die allgemeinen Ausfuhrzahlen von Elfenbein. So fiel im Jahre 1898, zwei Jahre vor der Konferenz in London, die Zahl des aus Deutsch-Ostafrika exportierten Elfenbeins das erste Mal auf unter 50.000 Kilogramm und blieb auch nach der Jahrhundertwende in etwa bei dieser Größenordnung. Zum einen zeigt die schwindende Menge an Elfenbein die Auswirkungen, die die Jagd auf die Elefantenpopulation hatte. Zum anderen ist der schrumpfende Export von Elfenbein auch dadurch erklärbar, dass andere Rohstoffe wie zum Beispiel Gummi an Wichtigkeit gewannen. Dennoch führte die abnehmende Anzahl von Elefanten dazu, dass sich die Kolonialregierungen mit der Jagdregulierungen beschäftigten.

Elfenbeinhändler in Ostafrika in den 1880er – 1890er Jahren. Dieses Bild zeigt exemplarisch, wie Elfenbein als wirtschaftliches Gut und wie selbstverständlich Elefanten als Ressource betrachtet wurden.[Abb.1]

 

Um den Wildbestand zu schützen, wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen. Es wurde zum Beispiel eine Jagdscheinpflicht eingeführt, um die Jagd zu regulieren. Diese Jagdscheine waren für EuropäerInnen und AfrikanerInnen verschieden stufig und konnten gegen eine Gebühr erworben werden. Die Scheine für die EuropäerInnen waren dabei teurer als die für die afrikanische Lokalbevölkerung. Allerdings stellt sich hierbei die Frage, inwieweit sich letztere diese Lizenzen überhaupt leisten konnten, obwohl sie günstiger waren als die europäischen. Auch stellt sich die Frage, ob die lokale Bevölkerung diese überhaupt erwerben wollte, schließlich hatte sie seit Jahrhunderten Jagd nach ganz eigenen Regeln durchgeführt, und zwar ohne irgendeiner Kolonialregierung etwas zu bezahlen. Unwillen wird auch ein weiteres Jagdgesetz hervorgerufen haben, wonach „spektakuläres“ Großwild für Touristenjagdscheine „reserviert“ wurde. Somit sind die Jagdscheine, die zum Schutz des Wildbestandes eingeführt wurden, auch zugleich Einnahmequellen und Mittel kolonialer Herrschaft.

Weitere Maßnahmen waren Verbote, die sich besonders gegen traditionelle Jagdarten der Einheimischen richteten. So wurde beispielsweise die Jagd mit Netzen und Treibjagden untersagt. Die Verbote gegen diese Jagdmethoden zeigen, dass die Jagd der afrikanischen Bevölkerung als negativer Einfluss auf die Wildzahlen gewertet wurde. Zusätzlich kommt hinzu, dass die Jagd durch Einheimische als Konkurrenz zu der Jagd von europäischen Jägern betrachtet wurde. So verwundert es nicht, dass die Jagdeinschränkungen für die afrikanische Bevölkerung auch eine Rolle im Maji-Maji-Aufstand spielten. Wie nachhaltig sich diese Beschränkungen auf die einheimische Bevölkerung auswirkten, wird insbesondere an den Plagen durch wilde Tiere, zum Beispiel wilde Schweine, deutlich. In manchen Orten wurden ganze Ernten vernichtet, da die Tiere die Saat der Felder fraßen. Durch das Verbot der traditionellen Jagdarten sowie der Einschränkung des Feuerwaffenverkaufs (ein Verbot, das sich ausschließlich gegen die lokale Bevölkerung richtete) hatte die Bevölkerung keine Mittel, um sich gegen solche Plagen zur Wehr zu setzen.

Es wird deutlich, dass die europäischen Überlegungen und schließlich in den Kolonien durchgesetzten Maßnahmen zum Tierschutz auch negative Auswirkungen auf die Bevölkerung hatten. Die Einschränkung der traditionellen Jagdarten der afrikanischen Bevölkerung spiegelt sich auch im Waldschutz wider, da in diesem Bereich ebenfalls einheimische Feldarbeitsmethoden, wie Brandrodung, verboten wurden, weil diese als zerstörerisch galten. Somit wurden einheimische Methoden im Wild- wie im Waldschutz für negative Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt verantwortlich gemacht.

Neben den verschiedenen Verboten, Vorschriften und Regelungen, die die Kolonialverwaltung aussprach, begann sie auch Wildreservate als Schutzbereiche für die Wildtiere einzuführen. In Britisch-Ostafrika wurde das erste Wildreservat im Jahre 1899 gegründet und es wird oft als das erste seiner Art in den europäischen Kolonien auf dem afrikanischen Kontinent betrachtet. In Deutsch-Ostafrika wurden jedoch schon im Jahre 1896 die ersten Wildschutzgebiete in der nördlichen Rufiji-Region im Südosten der Kolonie und des heutigen Tansanias eingerichtet. Aus diesem Schutzgebiet ist später unter der britischen Mandatsverwaltung nach 1918 das Selous Game Reserve entstanden. Die Einrichtung der Wildreservate zog sich durch die Zeit der deutschen Kolonialherrschaft, sodass es im Jahre 1911 schlussendlich 15 Wildreservate mit einer Größe von 20.000 Quadratkilometern waren, was etwa fünf Prozent der Fläche der Kolonie entsprach. Hieran zeigt sich, dass die Wildreservate zumindest auf dem Papier eine wichtige Rolle innerhalb der deutschen Kolonialverwaltung spielten.

Wurden diese Wildreservate in Europa als fortschrittlich und der Umwelt zuträglich betrachtet, so erlebten weite Teile der einheimischen afrikanischen Bevölkerung diese Reservate als massive Eingriffe in ihren Lebensalltag und als Ausdruck kolonialer Herrschaft. Genau das waren die Reservate auch, schließlich konnten solch große Gebiete nur deshalb als Wildschutzreservate ausgewiesen werden, weil die Kolonialverwaltung das Land als besitzlos erklärte. Somit gehörte das Land in der Theorie niemandem und die deutsche Verwaltung verfuhr damit, wie sie wollte.

Eine der Folgen solch eurozentrischer Vorstellungen von Besitz beziehungsweise Besitzlosigkeit war, dass man im Vorlauf zum Maji-Maji-Aufstand zum Teil Zwangsumsiedlungen unter der afrikanischen Bevölkerung durchführte, um die Reservate einzurichten. Während des Maji-Maji-Aufstands, der von 1905 bis 1907 dauerte, setzte die deutsche Kolonialregierung die Kriegstaktik der „verbrannten Erde“ ein, was den Tod von zwischen 75.000 und 300.000 Menschen zur Folge hatte. Die meisten kamen dabei durch Hungersnöte und Krankheiten ums Leben. Dieser Blutzoll führte zur Entvölkerung ganzer Landstriche.

Die Regionen, in denen die Folgen des Krieges besonders gewütet hatten, wurden nach dem Aufstand genutzt, um die Wild- und Waldreservate weiter auszudehnen, insbesondere in der oberen Region des Flusses Rufiji, wo der Kern des heutigen Selous Game Reserves liegt. Nach dem Aufstand gab es keine Pläne der deutschen Kolonialverwaltung, die Menschen, die noch in den Regionen lebten zwangsumzusiedeln, dennoch lebten dort immer weniger Menschen. Der Maji-Maji-Aufstand ist also zum einen mitverursacht durch eine aggressive Politik der Naturschutzbestrebungen, zum anderen werden seine Folgen,  wie die Entvölkerung auf eine geradezu zynische Art und Weise für europäische Vorstellungen von Natur- und Tierschutz genutzt – und zwar auf Kosten der dort lebenden Menschen.

Und doch sollte nicht der Anschein erweckt werden, als hätten sich europäische Vorstellungen von Natur- und Tierschutz eins zu eins in den Kolonien umsetzen lassen. So wurden die Gebiete zwar theoretisch als Reservate bezeichnet, aber da die Kolonialverwaltung an chronischem Geldmangel litt, ist die durchgehende Überwachung der Vorschriften mehr als fraglich. Erschwerend kommt hier hinzu, dass die Grenze zu den Reservatsgebieten mehr als undeutlich war. Es gab keine klare Grenzziehung, die verdeutlicht hätte, dass man sich nun auf Reservatsland befände. Die Kontrolle der Reservate lag Großteils in den Händen von Militäraußenposten, deutschen Förstern und ihren afrikanischen Mitarbeitern, zum Teil übernahmen dies auch die Missionsstationen. Diese Aufteilung zeigt die lückenhafte Herrschaft der Kolonialmacht über die Kolonie an sich, aber auch die Lückenhaftigkeit in der Kolonialverwaltung, da sie keine zentrale Stelle hatte, die über die Einhaltung der Vorschriften gewacht hätte. Zusätzlich gab es Gebiete, die überhaupt nicht überwacht wurden, da diese als leere Weiten und dadurch als „natürliche“ Reservate betrachtet wurden, wie zum Beispiel die Serengeti, die sich im nordwestlichen Tansania befindet. Hier zeigt sich ebenfalls die europäische Unkenntnis über das Gebiet, da es als eine monotone und wasserlose Wildnis betrachtet wurde, was der Vielfalt des Gebietes nicht gerecht wird und die Menschen, die in der Serengeti lebten, vollkommen ignoriert.

 

Wild- und Naturschutzparks: Ein koloniales Erbe?

Die Anfänge der Naturschutzparks im heutigen Tansania lassen sich auf die Initiative der deutschen Kolonialverwaltung zurückverfolgen. Aus den Wild- und Waldreservaten, die die Deutschen während ihrer Kolonialzeit in Deutsch-Ostafrika einrichteten, wurden in späteren Jahren weitere Parks. Dies fand während der 1930er und 1940er Jahre unter der britischen Mandatsverwaltung statt. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahmen die Briten die Verwaltung von ehemals Deutsch-Ostafrika unter dem Namen Tanganjika. Das Selous Game Reserve wurde unter der britischen Verwaltung nach dem englischen Großwildjäger Sir Frederick Selous benannt, der während des Ersten Weltkrieges bei einem Gefecht gegen deutsche Truppen in der Region im Jahre 1917 gefallen war.

Während der 1960er und 1970er Jahre engagierte sich besonders der deutsche Tierarzt und Zoodirektor Bernhard Grzimek (1909-1987) für den Erhalt der Artenvielfalt in der Serengeti und anderen Wild- und Naturschutzreservaten in Tansania. Dieser Einsatz für die Erhaltung der Schutzparks kann als eine Art der Erhaltung des kolonialen Erbes betrachtet werden, da die Parks zum einen direkt aus dieser Zeit stammen. Zum anderen lässt die Einmischung von außerhalb auch erkennen, dass es ein westliches Interesse an der Erhaltung der Artenvielfalt gibt, besonders auch im Sinne des Tourismus. Die Wildreservate sind somit ein Ort des kolonialen Erbes. Zwischen 1973 und 1978 gab es sogar ein Jagdverbot in ganz Tansania, welches jedoch wieder aufgehoben wurde. Im Jahre 1987 trat das Selous Conservation Programme der Regierung Tansanias, auf Betreiben der deutschen Botschaft in Dar es Salaam, in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für technischen Zusammenarbeit (GTZ) in Kraft, um während dieser Periode gegen die schrumpfende Anzahl an Elefanten (vor allem durch Wilderei verursacht) vorzugehen. Diese Zusammenarbeit wurde später vom Ministerium für Entwicklungshilfe übernommen, um das Selous Game Reserve wieder nachhaltiger zu machen. Das Selous Game Reserve ist heute eines der Wildreservate in Tansania, in dem die Großwildjagd erlaubt ist. Die Zusammenarbeit setze sich 2003 fort. Diese zeigt eindeutig, dass der deutsche Einfluss in Tansania nicht verschwunden ist und auch die Bundesrepublik Deutschland bis heute Verbindungen nach Tansania hat und mit seiner Unterstützung von Natur- und Wildschutzparks auf gewisse Weise ein koloniales Erbe weiterführt.

 

Von Julian Prush

 

 

Literaturhinweise

Bernhard Gißibl, Jagd und Herrschaft. Zur politischen Ökologie des deutschen Kolonialismus in Ostafrika, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 56 (2008), H.6, 501-520.

Bernhard Gißibl, Das kolonisierte Tier. Zur Ökologie der Kontaktzonen des deutschen Kolonialismus, in: WerkstattGeschichte 56 (2010), 7-28.

Bernhard Gißibl, The Nature of German Imperialism. Conservation and the Politics of Wildlife in Colonial Africa, New York/Oxford 2016.

Thaddeus Sunseri, Forestry and the German Imperial Imagination. Conflicts over Forest Use in German East Africa, in: Thomas Lekan/Thomas Zeller (Hg.), Germany’s Nature. Cultural Landscapes and Environmental History, New Brunswick 2005, 81-107.

Jürgen H. Wächter, Naturschutz in deutschen Kolonien in Afrika (1884-1918), Münster 2008.

 


Abbildung

[Abb.1] Online unter: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ivory_1880s.jpg?uselang=de (Letzter Zugriff: 14.4.2020), Urheber: unbekannt, Lizenz: Public Domain (PD-Old, PD-US).