Hermann Wagner (1840–1929) war ein Geograph, dem bis heute eine entscheidende Rolle bei der Etablierung der Disziplin Geographie zugesprochen wird. Er wuchs in einer Professorenfamilie auf und promovierte nach einem Mathematik- und Physikstudium in Göttingen zur Blumenbachschen Schädelsammlung. Neben seiner anschließenden Tätigkeit als Lehrer in Gotha arbeitete er für den Justus-Perthes-Verlag, der auch zahlreiche Forschungs- und Reiseberichte von Expeditionen nach Afrika publizierte. Selbst reiste Wagner nicht in die späteren Kolonialgebiete.

Bereits mit seinem ersten Ruf 1876 auf einen Lehrstuhl an die Universität Königsberg setzte sich Wagner intensiv mit Kolonialregionen auseinander. Neben Länderkunden auch zu Asien und Amerika hielt er unter anderem Vorlesungen zur Entdeckungsgeschichte Afrikas und zu den englischen Kolonien – die deutsche koloniale Expansion stand zu diesem Zeitpunkt noch bevor. Intensiv verfolgte er die Forschungsreisen in Afrika mit, es misslang ihm jedoch, eine lokale Sektion der Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland zu gründen.

Koloniale Gebiete beschäftigten Wagner allerdings auch ab 1880 als Professor in Göttingen: Er hielt unter anderem Vorlesungen wie „Die deutschen Kolonien“ und publizierte selbst zu wirtschaftsgeographischen und bevölkerungsstatistischen Fragestellungen mit Bezug auf verschiedene Kolonialgebiete.[1]  In seinen Studien relativierte er zum Teil überhöhte Erwartungen, die von „Kolonialenthusiasten“ formuliert wurden. Er gehörte jedoch wesentlich zu den Initiatoren der Einrichtung des geophysikalischen Observatoriums in Samoa durch die Königliche Gesellschaft der Wissenschaft zu Göttingen, welches er beim Reichskolonialamt anregte und dann auch vorbereitend dazu publizierte. Über das eigene Wirken hinaus betreute er viele Promotionen, welche sich mit kolonialen Gebieten auseinandersetzten. Jenseits der Universität beteiligte er sich nach eigener Aussage an der Gründung der Deutschen Kolonialgesellschaft und war langjähriger Vorsitzender der Göttinger Sektion.

Neben seiner kolonialen Tätigkeit war die dauerhafte Etablierung der Geographie als universitäre Disziplin sowie der Erdkunde als Unterrichtsfach sein Hauptanliegen. Seit 1930 wird Hermann Wagner in Göttingen geehrt, indem die Straße seines letzten Wohnhauses im Ostviertel in „Wagnerstraße" umbenannt wurde; an seinem ehemaligen Wohnhaus wurde außerdem eine Gedenktafel angebracht. Eine kritische Auseinandersetzung mit seiner Arbeit hat bisher kaum stattgefunden.

 

 

Von Gregor Christiansmeyer

Hermann Wagner zum Ende seiner Laufbahn (verstorben 1929).[Abb.1]

 

 

 

Literaturhinweis

Dietrich Denecke, Hermann Wagner und die Entwicklung der Geographie an der Albertus-Universität in Königsberg, in: Dietrich Rausching/Donata von Nerée (Hg.), Die Albertus-Universität zu Königsberg und ihre Professoren, Berlin 1995, 711–727.

 


 [1] Hermann Wagner, Göttinger Professoren. Lebensbilder von eigener Hand – Hermann Wagner, in: Mitteilungen des Universitätsbunds Göttingen 5 (1924) H. 2.


Abbildung

[Abb.1] Online unter: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Hermann_Wagner_3.jpg (Letzter Zugriff: 15.4.2020). Trotz intensiver Bemühungen konnte kein/e UrheberIn ermittelt werden, eventuelle RechteinhaberInnen bitten wir um Benachrichtigung. Lizenz: Public Domain (CC0 1.0 Universal, PD-Old, PD-US).